Unsere Reise in ein Land, von dem wir – wie wohl die meisten Europäer – vor unserer Reiseplanung, ganze 2 Wochen vor Abflug (was, wie wir von verschieden Quellen erfuhren, für Peter Krimmel eine äußerst frühzeitige Reiseplanung ist), noch nie etwas gehört hatten, begann am Sonntag, den 15. Mai.
Gegen Mittag fuhren wir zum Frankfurter Flughafen noch ohne zu erahnen, was für atemraubende Eindrücke und Erfahrungen wir in der nächsten Woche sammeln würden.
Zwar hatten wir uns selbstverständlich – wie es sich für deutsche Touristen gehört – mittels Reiseführer eingehend über die Kultur und die Sehenswürdigkeiten versucht zu Informieren. Dies gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht, da in gefühlt allen deutschsprachigen Reiseführern mit den Titeln wie „Südafrika, Lesotho und Swasiland auf einen Blick (300 Seiten)“ maximal 5 Seiten über Lesotho berichten, wovon ungefähr 3 Seiten vor der, im Vergleich zu Südafrika, sehr langweiligen Tierwelt sowie mit Graffiti verschmierten Denkmälern warnen. Somit war das Thema Vorabinformation auf die traditionelle Art und Weise abgehakt. Über das Internet erhielt man dann schon nähere Informationen über die Kultur, die Landschaft, etc.. So eine richtige Ahnung, darüber, was uns in diesem Land erwarten würde hatten wir aber immer noch nicht.
Bei der Sicherheitskontrolle am Fraport und dem obligatorischen Körperscanner hieß es noch kurz „Bitte lächeln“ und dann nach einem Bierchen an einer Flughafenbar ab auf die gefühlt DIN A4 großen Sitzplätze, die wir für die nächsten 11 Stunden unser Eigen nennen konnten. Der Versuch zu schlafen wurde bei allen Economy-Fluggästen von der Crew unterbunden. Einerseits durch einen festen Griff an der Schulter, bei welchem selbst israelische Krav Maga-Kämpfer erblassen würden und der Frage: „Scrumbled Egg or Continental Breakfast?“. Andererseits durch die beherzte Stewardess, welche Ihren Bordtrolley als eine Art mittelalterlichen Rammbock verwendete um die Köpfe der schlafenden Fluggäste, darunter Elisabeth auf ihrem Gangplatz, aus den Gängen zu rammen. Die einzige, die dies nicht beirrte und seelenruhig schlief, war Elisabeth.
Am nächsten Morgen gegen 7 Uhr standen wir noch völlig übermüdet 8600 km entfernt von der Heimat, mitten in Afrika an der Passkontrolle des Johannesburger Airports, oder O.R. Tambo, wie er von fast allen im südlichen Afrika genannt wird.
Nach der Sicherheitskontrolle hieß es nun: Frühsport mit (fast) Sprinteinlage. Unser Ziel war es vor den Passagieren der Flüge aus Dubai und Hong Kong (allesamt Großfamilien mit gefühlt mehr als 20 Familienmitgliedern) zur Gepäckausgabe und der folgenden Zollkontrolle zu gelangen.
Mit unserem Handgepäck und unseren Treckingrucksäcken, die in Folie gewickelt – ein Muss, wenn man nach Johannesburg fliegt (Diebstahlsicherung) – waren, eilten wir zu unserem Mietwagenunternehmen. Mit unserem Mietwagen, ein Toyota mit einem Motor, der sich mehr nach Rasenmäher als nach Automobil anhörte und sich auch so fuhr, brachen wir auf in das Abenteuer Straßenverkehr in Afrika samt Linksverkehr, Menschen und Tieren auf der Fahrbahn und metertiefen Schlaglöchern, die Elisabeth jedoch nicht davon abhielten, während der meisten Zeit unserer Fahrt in das Reich der Träume einzutauchen.Und dann waren wir nach 6-stündiger Autofahrt und über 24-stündiger Reise am Ziel angekommen. Lesotho „Das Königreich im Himmel“ – was wortwörtlich zu nehmen ist – ist das höchstgelegenste Land der Welt, dass heißt, es gibt kein Land, an dem der tiefste Punkt so hoch liegt, nämlich auf über 1400 m, nahm uns am Van Rouvens Port (Grenzübergang) in Empfang.
Noch nicht einmal richtig angekommen, fuhren wir noch 20 Kilometer über die im Vergleich zu Südafrika deutliche besser instand gehaltene Straße nach Mafeteng schnurstracks zur Kingsgate Primary School wo wir am Nachmittag so herzlich von Mateboho Masiu, der Schulleiterin empfangen wurden, wie wir es von jemand völlig fremden noch nie erlebt haben. Diese Herzlichkeit war jedoch kein Einzelfall, sie ist für die Menschen in Lesotho selbstverständlich, wie wir in den nächsten Tagen erkannten.Nachdem wir uns einen ersten Eindruck der Schule verschaffen konnten, widmeten wir uns unserem eigentlichen Reisegrund, der Planung des Aufenthaltes von Mateboho in Deutschland.
Nach einem gemütlichen Abendessen mit Mateboho und dem Computerspezialisten der Schule, Zelo, fielen wir todmüde in unsere Betten im einfachen aber erstaunlich komfortablen und wie alle Häuser, die wir sahen, sauberen Catholic Training Center. Und für Elisabeth das i-Tüpfelchen unseres Aufenthaltes: Eine Badewanne!Immer noch müde fuhren wir am nächsten Morgen noch im Morgengrauen um sechs Uhr mit Mateboho eineinhalb Stunden nach Bloemfontein, Südafrika um das Visum für Mateboho zu beantragen, was sich trotz allen notwendigen Dokumenten schwieriger gestaltete, als gedacht. Zwar gibt es in Südafrika eine deutsche Botschaft, diese kümmert sich jedoch um keinerlei Visaanträge, das tut eine Agentur names VISALink, die scheinbar noch weniger Ahnung von der Erteilung eines Visas hat, als die Mehrheit von uns von der Quantenphysik. Am Nachmittag trafen wir uns noch mit Leonmore, einem sehr guten Freund von Herrn Krimmel und Mitarbeiter des KAGISO LAP.
Die darauffolgenden Tage verbrachten wir bis zu unserer Rückfahrt nach Johannesburg in Lesotho. Da die Formalien nun erledigt waren, konnten wir uns nun den wirklich interessanten Dingen wie Mensch, Natur und Kultur zuwenden.
Am Mittwoch waren wir zum ersten mal während der Schulzeit in der Schule. Außerdem noch am Donnerstag einen kompletten Schultag von Beginn an bis zum Ende und Freitag bis halb 12.
In den Pausen stürmten die 900 Schüler, nachdem die mobile menschliche Pausenglocke, die strahlend über das Schulgelände mit ihren besten Freunden rannte, auf den Pausenhof und vertieften sich in Seilspringen und Hüpfspiele, die wir auch trotz langem betrachten nie verstanden haben. Auch entdeckten die Schüler sofort Elisabeths Kamera. Und da war es geschehen: Umringt von Kindern, die fotografiert werden wollten und die unsere Hände schüttelten verbrachten wir in einer Traube aus strahlenden Kindern sämtliche Pausen. Und dieses strahlende, offenherzige Lächeln der Kinder werden wir wohl auch nie wieder vergessen.
Während des Unterrichts wirken die Schüler wie ausgewechselt. Trotz 70 Schülern pro Klasse in einem Klassenraum, von der Größe eines kleinen deutschen Klassenzimmers und der Anwesenheit nur eines Lehrers herrscht absolute Ruhe. Die Schüler der Kingsgate Primary School saugen jedes einzelne Wort ihres „teachers“ wissbegierig auf mit einer Lernbereitschaft, wie wir sie in einer deutschen Schule noch nie erlebt haben. Es scheint so als wüssten sie alle von der 1. Klasse an, dass von dem was sie jetzt lernen ihre gesamte Zukunft abhängt, während sich deutsche Schüler meistens doch eher auf die nächste große Pause freuen.
Und das selbe Bild haben wir auch von dem gesamten Kollegium mitgenommen. So viel Herzblut, wie die Lehrer der Kingsgate Primary School in die Bildung und somit die Zukunft jedes einzelnen ihrer Schüler investieren, haben wir wirklich sehr selten gesehen.Wir besuchten auch mit dem gesamten Kollegium von 22 Lehrern – für über 900 Schüler – den lokalen Radiosender in Mafeteng, wo wir nach der Führung durch das Büro und das kleine Aufnahmestudio, welches doch sehr modern und an “westliche Standards“ (wenn es so etwas für Radiosender gibt) angeglichen war, erfuhren, dass wir uns nun einem „nur“ 30 minütigen Spontaninterview samt Live-Übertragung stellen mussten. Merke: Radiomoderatorinnen in Lesotho haben ein sehr durchdringendes Stimmorgan.
Unser Radiobesuch war am Mittwoch. Am Abend freuten wir uns schon auf das Essen im Catholic Training Center, anders als Montag und Dienstag, wo wir im Mafeteng Hotel und an einer Imbissbude auf der Hauptstraße gegessen hatten. Nach 2 Tagen Pommes Frites freut man sich doch mal über Reis, Salat, Gemüse und ein in meinen (Leif) Augen geniales Rinderragout.
So aßen wir auch die nächsten Tagen bei den Nonnen im CTC. Und auch das Entertainment war deutlich besser und wohl einmalig und für Europäer sehr ungewohnt. Oder haben sie schon eine Nonne den Hit „Work“ (Rihanna) singen hören? Aber genau dieser Moment zeigt unserer Meinung nach die Leichtigkeit und Lebensfreude der Basotho welche wir auf unserer Reise überall sahen, und von der wir uns auch eine Scheibe abschneiden können.Ein weiteres Highlight war am Freitag unser Ausflug zum Nationaldenkmal Tabha Bosiu. Schon die Hinfahrt mit fast dem gesamten Kollegium in einem für Lesotho typischen Minibus war ein Erlebnis für sich. Da die Sitzplätze nicht für jeden ausreichten wurde kurzerhand einfach eine Schulbank in den Mittelgang gestellt, sich festgehalten und schon ging die Fahrt mit lauter Beschallung aus der für den Bus überproportioniert wirkenden Pioneer-Anlage los.
Der Tafelberg Tabha Bosiu, der im Westen des Landes nahe der Grenze zu Südafrika liegt, war unser Ziel. Hier besiegte Moshoeshoe I. die Buuren und drängte sie hinter die Grenze des heutigen Lesothos. Dies war der wichtigste Moment in der Geschichte Lesothos, da Moshoeshoe I. die Basotho so vor der schrecklichen Apartheid schützen konnte.
Und dieses Erbe spürt man noch heute. Die Spannungen zwischen weißer und schwarzer Bevölkerung, die in Südafrika noch nicht ganz überwunden sind, haben wir in Lesotho nicht mitbekommen. Das liegt aber wohl auch daran, dass es keine weiße Bevölkerung mit der Staatsbürgerschaft Lesothos gibt, lediglich Diplomaten, Volontäre, Touristen, etc.
Doch nicht nur die Historie dieses Berges ist beeindruckend. Die Landschaft Lesothos, die man vom Tafelberg aus mit dieser wahnsinnigen Aussicht überblicken kann ist einfach atemberaubend. Im Westen sieht man das Tiefland von Lesotho auf 1400 m; wendet man seinen Blick in Richtung Osten erkennt man die über 3000 m hohen, schroffen und grünen Berggipfel der Drakensberge, dazwischen liegen immer wieder Tafelberge, die die Tiefebene durchschneiden und in Blickrichtung der Drakensberge am Fuße des Thaba Bosiu der Berg Qiloane, der sich als Hut, das einzige Souvenir was wir im ganzen Land gesehen und gekauft haben, in die Flagge Lesothos eingeschlichen hat.
Auf unserer Rückfahrt, wieder aufgrund diverser eng besetzter Schulbänke völlig überladen wurden wir auch noch von der Polizei angehalten. Ein grimmig drein guckender Officer kam zur Fahrertür und wollte unseren Fahrer zur Rede stellen, warum zu viele Fahrgäste mitgenommen wurden. Doch als dieser nette Herr dann in die Fahrgastkabine blickte, sah er nur noch Fahrgäste auf den Sitzplätzen sitzen, welche leere Schulbänke mit sich führten. Die übrigen Lehrer waren kichernd unter den Sitzen sowie auf einem Plumpsklo eines Bauernhofes, welches am Fahrbahnrand stand durch die Schiebetür verschwunden.
Nach kurzer Diskussion und einer Zahlung eines unbekannten Geldbetrages – wir haben kein Wort verstanden, da in der Landessprache Sesotho gesprochen wurde – durften wir mit allen Fahrgästen weiter fahren.
Unseren letzten Abend schlossen wir mit allen Lehrern in einer sehr schönen Runde bei einem Abendessen im Catholic Training Center ab.Und am nächsten Tag ging es auch schon wieder zurück nach Deutschland. Nach der herzlichen Verabschiedung von Mateboho Masiu, 7 Stunden Autofahrt, 2 1/2 Stunden Aufenthalt am Flughafen, 11 Stunden Flug, 1 Stunde Aufenthalt am Flughafen und 2 1/2 Stunden Autofahrt waren wir wieder in unserem geregelten Leben angekommen.
Viele neue Eindrücke und auch eine geänderte Sicht auf die Dinge, die wirklich im Leben zählen haben wir mitgenommen und auch Entscheidungen über unsere eigene Zukunft getroffen.
Wer einmal in Lesotho gewesen ist, den lässt dieses Land, aber auch der gesamte Kontinent Afrika, nicht mehr los.
Eines können wir beide sagen: Wir kommen wieder.
Leif Habermann – Abiturient des Kolleg St. Sebastian Stegen